Verdammt! Der Blick aus dem Fenster nach dem Aufstehen hat dem Himmel entsprechend trübe gestimmt. Es regnet! Und das genau an dem Tag an dem wir dringend, wirklich dringend, gutes Wetter brauchen würden. Denn am Programm steht der Vashlovani Nationalpark in Kachetien, dessen Jeeppisten bei Regen nicht nur schnell verschlammt sondern richtiggehend unter Wasser stehen. Dabei hatte ich gestern noch insbrünstig gen Himmel geschrien und den Wettergott angefleht der eh schon schlechten Wettervorhersage einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Vashlovani Nationalpark und Sowjet-Militärflughafen
Erfahrungsbericht von Daniela Luschin-Wangail
… und was ist passiert? Beim Losfahren ist der Regen versiegt und bis wir im Nationalpark ankommen, sind so gut wie alle Wege wieder halbwegs trocken und damit gut befahrbar. High Five gen Himmel! Danke, werter Wettergott! Schon am Weg zum Vashlovani Nationalpark ändern sich die Landschaften rasant. Anfangs toskanaähnlich, dann wieder weit und steppengleich, es folgen Hügel und schließlich mehr oder weniger bare Felslandschaften, mal Sandgestein, mal andere Steinformationen, die einer Geologie-Laiin wie mir nichts sagen. Mit von der Partie sind nicht nur unser Geschäftspartner für Georgien, Zviad, sondern auch ein lokaler Guide namens Giorgi, ein immer-fröhlicher junger Mann, der ganz offensichtlich nicht nur alle Wege des überaus verwirrenden Jeep-Pisten-Netzes, sondern auch alle Pflanzen und Tiere des Nationalparks zu kennen scheint. Menschen treffen wir hier kaum, nur einige Ranger. Dafür aber unzählige Landschildkröten, die wir wiederholt von der Straße an den Rand heben müssen, damit wir sie mit unserem schweren SUV nicht zerquetschen.
Neben den langsamen Reptilien gibts aber auch flottere: Echsen und Schlangen. Die Levanteotter und die Sandboa sind die bekanntesten. Größere einheimische Tiere sind Gazellen, Goldschakale, Wölfe, Rohrkatzen und Braunbären. Es gibt sogar Sichtungen von Leoparden, aber sehr sehr wenige. Die Gazellen wurden während der Sowjetzeit so erfolgreich gejagt, dass sie bis vor der Wiedereinführung vor ein paar Jahren hier gänzlich ausgestorben waren.
… und dann ein Kontrast, der größer nicht sein könnte
Am Weg zurück halten wir auf der Ebene von Shiraki. Was ich aus der Ferne als großes Dorf wahrgenommen habe, stellt sich beim Näherkommen als riesiger Militärflughafen raus. Seit der Unabhängigkeit Georgiens ist er nicht mehr in Betrieb, soll aber einst der größte Militärflughafen der Sowjetunion gewesen sein. Eine riesige brach liegende Landebahn wird von zig, wenn nicht Hunderten Hangars gesäumt, die von oben nicht wahrgenommen werden, weil sie mit Erde bedeckt wurden und somit von Gras überwachsen sind.
Bis auf ein Flugzeug haben die Russen alles mitgenommen als sie abziehen mussten. Die Bewohner der umliegenden Dörfer haben nicht nur das Flugzeug gründlich geplündert, sondern auch die unzähligen Gebäude auf dem Areal, von denen kein einziges mehr Fenster oder Türen, geschweige denn irgendein Interior hat. Sie nutzen sie dafür gelegentlich als Stallungen für ihre Tiere.
Giorgi erzählt uns noch, dass unter dem Flughafen unterirdische Bürogebäude angelegt und angeblich radioaktive Materialien eingelagert wurden. Der Zutritt ist deswegen verboten und der Zugang verbarrikadiert.
Am Ende des Tages weiß ich gar nicht, was ich spannender finde: den wirklich wunderbaren Nationalpark Vashlovani oder die derbe Schönheit der Überreste aus einer vergangenen Ära. In jedem Fall ist der Kontrast zwischen diesen beiden Höhepunkten kaum zu übertreffen und eine Kombination für sich, die ich jederzeit wieder machen würde.
Der Regen hat übrigens erst kurz vor Eintreffen beim Hotel wieder eingesetzt. Das hab ich also ziemlich gut ausgehandelt.